‘Die andere Heimat’ zu sehen am Rande des Hunsrücks

Lichtspiele Wadern zeigen ‘Die andere Heimat’ von Edgar Reitz

Lange mussten die Kino- und Heimatfreunde im Hochwald warten, doch nun ist es endlich so weit. Rechtzeitig vor der Sommerpause zeigen der Verein für Heimatkunde Wadern e.V. und die Filmfreunde der Lichtspiele Wadern „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ von Edgar Reitz. Unterstützt wird die Veranstaltung durch die Stabsstelle Regionale Daseinsvorsorge des Landkreises Merzig-Wadern.

Mit 81 Jahren geht der Regisseur Edgar Reitz noch einmal in das fiktive Dorf Schabbach im Hunsrück. Sein knapp vierstündiger Film „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ ist eine Zeitreise, die tief in die Mentalität der deutschen Vergangenheit und insbesondere unserer Heimatregion führt.

Hunsrück, um 1840. Die Erde ist leer, sagen die Leute. Eine schlechte Ernte folgt der nächsten. Die schlimmste Missernte bringt das Jahr 1843, als ein ungewöhnlich großer und heller Komet am Himmel erscheint und die Menschen tief verunsichert, als hätte er die Atmosphäre vergiftet. Kinder werden von Seuchen dahingerafft, die Dörfer verfallen, die Rohheit wächst. Die Landesherren erhöhen die Abgaben, verbieten das Holzsammeln im Wald und den Ausschank von anderem Bier als dem eigenen. Mehr und mehr Menschen kehren dem Hunsrück den Rücken. Das Land entvölkert sich. Zweifelhafte Werber aus Brasilien ziehen durch die Dörfer, versprechen in der Ferne fruchtbares Land in Hülle und Fülle.

Der Film erzählt in großen epischen Zeitbildern vom beginnenden Exodus der deutschen Bauern und Handwerker in die Neue Welt. In endlosen Kolonnen ziehen die hochbeladenen Pferdefuhrwerke über Berge und Täler zum Rhein hinab, um von dort zu den Seehäfen zu gelangen, wo die Auswanderungsschiffe ins Ungewisse starten. Ein Abschied für immer, ein Aufbruch ohne Wiederkehr, Menschen auf der Suche nach dem Glück in einer anderen Heimat. Deutsche Geschichte, eine vergessene Wahrheit, eine Geschichte von Mut und vom Glauben an die Zukunft. Jakob schreibt in sein Tagebuch: Was kann es größeres geben, als einen Weg gemeinsam zu suchen aus Unrecht und Kälte? Denn alles kann verloren gehen und im Sturm auf den Meeren versinken, nicht aber das Wissen der Herzen.

Gedreht wurde der Film „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ nur an Originalschauplätzen, welche das Produktionsteam getreu ins Jahr 1842 zurückverwandelt hat. Die Bewohner der Hunsrückdörfer beteiligen sich zudem mit vielen persönlichen Erinnerungsstücken aus dieser Zeit an der Ausstattung des Films. Und sie sind auch in vielen Rollen zu sehen. Auch dies macht den Film zu einem einzigartigen Zeitzeugnis unserer Region.

„Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ wirft wie selbstverständlich genau die Fragen auf, die aktueller kaum sein könnten: die Frage nach Zugehörigkeit, Tradition und Glaube auf der einen und Freiheit der Gedanken, und was man heute, in Zeiten von Globalisierung und Mobilität, noch als Heimat definieren kann, auf der anderen Seite.

Von Edgar Reitz, dem Regisseur dieses Meisterwerkes, stammt folgendes Statement: „Nach Beendigung dieser Arbeit, die fast vier Jahre erforderte und mich ebenso wie das Team und die Darsteller auf eine Reise in ein anderes, gar nicht so fernes und doch so vergessenes bitterarmes Deutschland führte, erfasst mich unendliche Dankbarkeit dafür, in einer Zeit leben zu dürfen, in der Freiheit und Lebensfreude selbstverständliche Forderungen aller geworden sind. Es ist kaum vorstellbar, dass die Menschen in unserem Land noch vor weniger als 150 Jahren ein Leben führen mussten, das heute auf dem ganzen Globus kaum noch Parallelen findet. Unsere Filmarbeit hat unsere Perspektiven für einige Zeit umgekehrt: Wir konnten von „Schabbach aus” einen fremden Blick auf unsere Gegenwart werfen und waren erschrocken, wie apokalyptisch uns diese im Konsumtaumel rotierende und in Egozentrik und maßlosen Ansprüchen zersplitterte Gesellschaft erscheint. So mag es vielleicht eine der Wirkungen der ANDEREN HEIMAT sein, den Betrachter zum Innehalten zu bringen und für ein paar Stunden den anderen Rhythmus zu erfahren, der unsere Vorfahren zum Überleben befähigte und möglicherweise immer noch der Rhythmus unserer Herzen ist.“

Zu Recht wurde „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ gleich in drei Kategorien in diesem Jahr mit der LOLA (Deutscher Filmpreis) ausgezeichnet und zwar als bester Film, bestes Drehbuch und natürlich beste Regie.

„Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ wird an insgesamt vier Terminen in den Lichtspielen Wadern gezeigt. Den Auftakt macht eine Nachmittagsveranstaltung am Mittwoch, 23. Juli, um 16.00 Uhr. Außerdem läuft der Film am Freitag, 25. Juli, und Samstag, 26. Juli, jeweils um 19.00 Uhr. Am Sonntag, 27. Juli, haben sich die Veranstalter etwas Besonderes einfallen lassen, erstmals gibt es in den Waderner Lichtspielen eine Matinee. Filmbeginn ist dann um 11.00 Uhr.

Fast vier Stunden grandioses Kino machten hungrig. Doch keine Angst, in der Filmmitte gibt es eine Pause und die Filmfreunde bieten zur Stärkung einen Hunsrücker Imbiss an.

Weitere Infos unter www.lichtspiele-wadern.de oder unter der Tel.-Nr. 06871/507118.

Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht, D/F 2013 – Regie: Edgar Reitz. Buch: Reitz, Gert Heidenreich. Kamera: Gernot Roll. Mit Jan Schneider, Antonia Bill, Maximilian Scheidt. Concorde, ca. 220 Min

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